Und täglich grüsst die BLS – Das Drama von Gleis 13

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Liebe BLS

Heute möchte ich eine Geschichte erzählen, die sich täglich am Hauptbahnhof in Bern abspielt. Tatsächlich handelt es sich dabei eigentlich um ein Drama in 3 Akten. Vorhang auf für

«Und täglich grüsst die BLS – Das Drama von Gleis 13»#

Akt 1 – Eröffnung#

Szene 1 – Der Regio Express von Neuchâtel#

Jeden Tag um 17:25 +/- ein paar Minuten fährt auf Gleis 13 der Regio Express von Neuchâtel ein. Geplante nächste Abfahrt: 17:39. Der Zug steht dann etwa (Und dieses etwa ist wichtig) zwischen Sektor A und Sektor B, wobei der Zugkopf oft – zu oft – schon fast im Sektor C, unter der grossen, weit herum sichtbaren Anzeigetafel zu stehen kommt.1


Szene 2 – Die S-Bahn nach Bümpliz Nord#

Auf dieser Anzeigetafel ist – nota-bene – die S-Bahn von Bern nach Bümpliz Nord angeschrieben, Abfahrt 17:32. Während die Anzeigetafel schon längst deren Abfahrt verkündet, ist von der S-Bahn nach Bümpliz Nord bis kurz vor 17:30 jedoch nichts zu sehen. Wie sollte auch, bevor auf Sektor C eine S-Bahn stehen kann, muss dort zuerst der Regio Express von und nach Neuchâtel durchfahren.

Uns zeigt sich also zwischen 17:25 und 17:30 in etwa folgendes Bild:

  • Auf Gleis 13, Sektor C ist ein Zug angeschrieben, der noch gar nicht da ist * Auf Gleis 13, Sektoren A + B (Meist A, B und (fast) etwas C) steht ein Zug, der nur im Sektor A angeschrieben ist

Szene 3 – Der unbedarfte Kunde#

Auftritt Kunde. Meist etwas unbedarft, eher selten mit dem Zug unterwegs. Heute ist sein Ziel Bümpliz Nord. Man gedenkt den Zug zu benutzen.

Wie es sich gehört, macht man sich im Fahrplan schlau. Dort steht: S-Bahn nach Bümpliz Nord, Abfahrt 17:32, Gleis 13, Sektor C. Unser Kunde durchwandert also die Unterführung im Bahnhof, nähert sich dem Aufgang zu Gleis 13: Man ist etwas früher dran, schliesslich fährt man nicht jeden Tag mit dem Zug. Auf dem Perron angekommenn fällt einem sofort die grosse, nette Anzeige2 auf: S-Bahn nach Bümpliz Nord, Abfahrt 17:32, Sektor C. Man steigt ein, macht es sich bequem und liest eine der vielen gratis Abendzeitungen.3 Vielleicht wundert man sich, wieso der Zug denn nur so wenig im Sektor C und eigentlich viel mehr im Sektor B steht.4

Akt 2 – Das Drama spitzt sich zu#

Szene 1 – Der Zug hat Verspätung#

So ca. um 17:33 werden die ersten nervösen Blicke auf die Uhr getätigt. Der Zug sollte doch um 17:32 abfahren. Hat wohl wieder Verspätung. Ist ja immer dasselbe. Na ja, man liest weiter in der Zeitung oder vertieft sich wieder in das Gespräch mit dem Gegenüber.


Szene 2.1 – Schwein gehabt#

Wie es sich gehört, wird im Zug kurz vor Abfahrt eine Ansage gemacht.[^5] Etwa um 17:38 ist es soweit. «Ding-Dong. Regio Express nach Kerzers, Neuchâtel. Nächster Halt: Gümmenen».

«Gümmenen????? – ich will aber nach Bümpliz-Nord». Grosses Erstaunen, fragende Blicke. Kurzes Nachfragen im Abteil: «Hält dieser Zug in Bümpliz Nord?» – «Nein!». Hastig werden die Sieben Sachen zusammengepackt und der Zug fluchtartig verlassen. Nochmal Schwein gehabt – oder doch nicht? Längst ist die S-Bahn nach Bümpliz abgefahren, aber der nächste Zug in diese Richtung fährt zum Glück ja schon bald.


Eigentlich war das Drama an diesem Punkt für fast ein Jahr beendet. Seit Weihnachten 2006 ist aber irgendwie alles anders. Während bisher «Schwein gehabt» der Standard war, ist Variante «Pech gehabt» seit Ende 2006 die Norm. Aber lesen sie selbst:


Szene 2.2 – Pech gehabt#

Wie es sich gehört, wird im Zug kurz vor Abfahrt eine Ansage gemacht.[^6] Etwa um 17:38 ist es soweit. «Ding-Dong. Regio Express nach Gümmenen, Kerzers, Neuchâtel. Nächster Halt: Bümpliz-Nord».

«Ah, alles bestens!», denkt der unbedarfte Kunde und räkelt sich im bequemen Fauteil, «Einfach schade, dass der Zug verspätet ist.»

Mit einem Ruckeln setzt sich der Zug um 17:39 in Bewegung. Wer “Glück” hat, sieht 4 Minuten später die Bahnhofsschilder von Bümpliz Nord an den Zugfenstern vorbeirauschen – die anderen fragen sich irgendwann mal, wieso die Zugfahrt nach Bümpliz-Nord denn so lange dauert.

Szene 3 – Das Erwachen#

Spätestens auf der wunderschönen Brücke nach Gümmenen merkt es jeder: Irgendwas ist falsch gelaufen: «Nächster Halt: Gümmenen» ertönt es aus den Lautsprechern.

Schock, Wut, Unverständnis. Niemand versteht, wie das passieren konnte: «Der Zug war doch auf dem Perron angeschrieben.» – «Die Ansage war doch für Bümpliz Nord.» – «Ich fahre nie wieder mit diesem Zug.». Wer sich erkundigt, erfährt, dass es in Gümmenen um 18:07 einen Zug zurück nach Bern, mit Halt in Bümpliz Nord gibt. Die anderen steigen zuerst mal ratlos aus dem Zug und informieren sich auf den Fahrplantafeln, wie’s denn weitergeht. Die ganz Mutigen klopfen dem Lokführer ans Fenster und machen ihrem Frust da Luft.

Akt 3 – Requiem auf einen verpassten Zug#

Leider weiss ich nicht, wie die Geschichte dieser gestrandeten Passagiere endet. Kommen sie glücklich in Bümpliz-Nord an? Informieren Sie die BLS, was da (schief) läuft? Oder sind sie einfach nur froh, doch noch irgendwie ans Ziel zu kommen?

Würden ihnen die Kontrolleure glauben, wenn Sie auf der Rückfahrt von Gümmenen nach Bümpliz-Nord ohne Billet “erwischt” würden – oder müssten Sie in den sauren Apfel beissen und die 80 Franken Busse bezahlen?

– All dies bleibt das Geheimnis von Gleis 13 – und täglich grüsst die BLS.


Liebe BLS»Seit nunmehr zwei Jahren fahre ich täglich die Strecke Bern-Gümmenen und fast täglich nehme ich den Zug um 17:39. Seit dem Fahrplanwechsel 2005 ist das Problem mit der RE und der S-Bahn bekannt. Leider wurde auch auf den Fahrplanwechsel 2006/2007 nichts einschneidenderes unternommen, um die Situation zu verbessern. Ein ganzes Jahr lang wäre Zeit gewesen, eine Lösung zu finden.»Nein, die Situation hat sich sogar noch verschlechtert. Praktisch jeden Tag, seit dem 27. Dezember 2006, wird im RE um 17:39 die falsche Ansage abgespielt: «Nächster Halt: Bümpliz Nord». Jeden Tag fühlen sich Menschen vergaukelt weil die offizielle Ansage im Zug nicht mit der Realität übereinstimmt. »Fast jeden Tag hält der Regio Express von Neuchâtel so weit am Ende des Sektor B dass ein unbedarfter Kunde ihn ohne weiteres mit der S-Bahn verwechseln kann.»Während es früher einen Zug auf dem Gleis und drei grosse Anzeigen auf dem Perron gab, ist es heute umgekehrt: Zwei Züge, zwei Anzeigen – und letztere sind so weit auseinander, dass es unmöglich ist, von Sektor C aus diejenige im Sektor A zu lesen.»Ich frage mich ernsthaft, ob diese Umstände weiter oben einfach zu wenig bekannt sind, dass etwas dagegen unternommen wird? »Ich verstehe, dass die BLS und die SBB am Bahnhof Bern ein logistisches Problem haben. Ich denke aber, dass es ganz einfache, praktische Möglichkeiten gäbe, dies zu lösen. »Früher waren alle Züge mit einfachen, metallischen Schildern angeschrieben. Da konnte jeder, der in den Zug stieg, noch schnell lesen, ob er denn auch im richtigen Zug sass. Ist es denn nicht möglich, die alten Einheitswagen wieder so anzuschreiben? Oder eine andere praktikable Lösung zu finden? »Ich hoffe, es dauert nicht noch mal ein Jahr, bis die BLS für dieses Problem eine Lösung finden. Es wäre schade um jeden verlorenen und verärgerten Kunden.»Freundliche Grüsse»jr


Fussnoten:#


  1. Nur eine Randbemerkung: Grosse Anzeigetafeln sind gut. Grosse Anzeigetafeln mit grosser Schrift sind noch viel besser. In diesem Sinn sind die alten, analogen Anzeigen von Swatch den neuen digitalen Anzeigen von AEG tausendmal überlegen und viel besser lesbar. Leider scheinen die Ingenieure bei AEG noch nie ihre Panels bei starkem Gegenlicht oder einfallendem Sonnenlicht benutzt zu haben, sonst wüssten Sie, dass die Qualität der Anlage miserabel ist. Auch wenn es diese tollen Punkte hat, die abwechselnd blinken wenn der Zug einfährt – und wohl so etwas wie ein Flug-feeling aufkommen lassen sollen. Aber das hat mit unserem Drama nichts zu tun. ↩︎

  2. Auch das eine Randbemerkung: Seitdem heute am Abend verteilt resp. aufgelegt wird, hat sich der Verteilk(r)ampf des Berner Bär massiv verschärft. Wurde man früher freundlich angesprochen, ob man denn nicht etwas Lektüre für den Zug möchte, wir einem der Berner Bär heute manchmal fast aufgedrängt. Irgendwie drängt sich der Gedanke auf, dass der Lohn der Verträger mit der Anzahl verteilte Exemplare gekoppelt ist. Hat hier jemand irgendwelche WEMF Zahlen? ↩︎

  3. Eine spannende Frage: Wo beginnt der Sektor “C”? Genau: Mitten zwischen dem letzten Piktogramm für Sektor “B” und dem ersten Piktogramm für Sektor “C”. Ja, dort, wo nichts steht. Aber auch das ein anderes Thema. ↩︎

  4. Hier gilt es anzumerken: Auch auf den Perrons werden die beiden unterschiedlichen Züge ausgerufen. Allerdings in Intervallen, die zu lang sind, als dass alle Passagiere dies hören – ein Problem, das sich wohl nicht so leicht lösen lässt. ↩︎

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